Denker Konstrukteur Verwalter Kommunikator Ästhet Zuhörer Kinästhet Visionär
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Lernpräferenztest Prof. Dr. Franz Josef Röll, Dr. Robert Löw


 
Wissenschaft Lerner für Lernpräferenz Denker
   
Lernpräferenz Denker

Wissenschaft- Denker

 

In dieser Rubrik werden Kontexte zu fachwissenschaftlichen Diskursen hergestellt. Hinweise sollen gegeben werden auf Forschungstraditionen, deren Ergebnisse nachvollziehbar machen, warum dieser Lernpräferenztyp durch intuitiv-kreative Anregungen Impulse zum Lernen bekommt.
Die Kernthese des Konstruktivismus besagt, dass Lernende beim Lernprozess eine individuelle Aneignung zu leisten haben bzw. vollbringen müssen. Beim Lernen handelt es sich nach diesem Verständnis um subjektive Prozesse. Lernen hängt somit in hohem Maße vom Lernenden selbst und dessen Erfahrungen ab. Dies betrifft alle Lernenden, da der intuitiv-kreative Präferenztyp in seinem Selbstverständnis das subjektive Lernen in den Vordergrund stellt, sind die Konzept des Konstruktivismus förderlich, die Denkweise des Visionärs besser zu verstehen.
Der Konnektivismus bezieht sich auf das Lernen im digitalen Zeitalter. Unterschiedliche Aspekte von mehreren Lerntheorien, sozialen Strukturen und Technologie werden miteinander verbunden, um ein theoretisches Konstrukt zu schaffen, das für das Lernen im digitalen Zeitalter geeignet ist. Wenn es auch bei dieser Lerntheorie um Vernetzung geht, impliziert dieses Konzept ebenfalls, dass die Lernwege und –möglichkeiten vielfältig sein können und daher steht es dem subjektorientierten Konstruktivismus näher als den objektorientierten Lernmodellen (Behaviorismus).

Neurowissenschaft

Die moderne Neurowissenschaft versteht sich als interdisziplinäre Wissenschaft. Sie beschäftigt sich mit dem Aufbau und der Funktionsweise des biologischen Nervensystems und vor allem auch dem Aufbau und den Leistungen des Gehirns von Menschen und von Primaten.
Sie setzt sich auch mit den physiologischen Grundlagen des Denkens auseinander. Dazu gehört die Erforschung der Speicherung von Wissen im sensorischen Gedächtnis.
Es gibt einige Versuche, die Erkenntnisse der Neurowissenschaften auf das Lernen zu beziehen. Diese Versuche werden Neurodidaktik genannt.
In der Alltagssprache werden die Forschungsrichtungen der Neurowissenschaften meist unter der Bezeichnung Hirn- oder Gehirnforschung zusammengefasst.
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  • Gedächtnis
    Gedächtnis ist die Fähigkeit eines Organismus, Informationen aufzunehmen (einzuprägen, zu lernen), diese für eine gewisse Zeit zu speichern (zu behalten, zu erinnern) und jeweils nach Bedarf wiederzugeben (zu reproduzieren).
  • Es gibt ganz unterschiedliche Gedächtnisformen, u.a. lassen sich folgende Differenzierungen feststellen:
    • individuelles Gedächtnis,
    • soziales Gedächtnis,
    • kollektives Gedächtnis und
    • kulturelles Gedächtnis)
    Fünf Gedächtnissysteme lassen sich differenzieren:
    • Aus dem prozuderalen Gedächtnis rufen wir unbewusst motorische Fertigkeiten wie das Radfahren ab
    • Das Priming –System wiederum springt an, wenn wir Reize wiederholt wahrnehmen
    • Das perzeptionelle Gedächtnis ordnet Objekte nach Bekanntheit
    • Das Wissenssystem verwahrt Fakten und kann diese miteinander verknüpfen
    • Das sogenannte »persönlich-episodische-autobiographische Gedächtnis« ist vor allem in der rechte Hirnhälfte, dem daumendicken Hippocampus oder dem Mandelkern, der Amygdala verankert. Auch Emotionen haben hier ihren Platz.
    Für das Lernen spielt das Gedächtnis eine zentrale Rolle.
    Linkempfehlungen :
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  • Neurodidaktik
    Neurodidaktik ist gehirngerechtes Lehren und Lernen (Herrmann 2009). Die Erkenntnisse der Neurowissenschaften werden auf das Lernen bezogen. Es gibt verschiedene praxisorientierte Ansätze, die unter diesem Begriff zusammengefasst werden. Jeweils nehmen die Ansätze für sich in Anspruch, didaktische bzw. pädagogische Konzepte unter Berücksichtigung der Erkenntnisse der Neurowissenschaften und der aktuellen Hirnforschung zu entwickeln.
  • Die Neurodidaktik beabsichtigt mit Hilfe modernster Technik das Erfahrungswissen von Pädagogen, anhand der Vorgänge im Gehirn zu bestätigen und erklären (vgl. Speck 2009, S. 7; Herrmann 2009, S. 11). Intendiert ist die Erforschung der natürlichen Grundlagen des Lernens. Es handelt sich um einen neuen Erkenntniszugang, der durch moderne Untersuchungs- und Analysemöglichkeiten beispielsweise Einblicke in Stoffwechselprozesse und die Wirkungen von Botenstoffen im Gehirn, ermöglicht (vgl. Herrmann 2009, S. 11-12). Spezifische Areale und Schaltungen können sichtbar gemacht werden, so dass die Beobachtung kausaler Zusammenhänge im Gehirn nun möglich ist (vgl. Speck 2009, S. 12).
    Das Interesse pädagogischer Reflexionen aus Neurodidaktischer Sicht richtet sich auf die Natur (Biologie) als »möglicherweise stabilisierende, verlässlichere, zugleich aber auch technologisch beherrschbare Größe« (Speck 2009, S. 10). Ulrich Herrmann schätzt, dass bisher gewonnene Erkenntnisse zu Entdeckungen und Einsichten führten, die »unser Verständnis vom Funktionieren des Gehirns grundlegend verändert haben« (Herrmann 2009, S. 11-12).
    Wichtige Erkenntnisse der Neurodidaktik werden anhand einiger Prinzipien des »Brain-Based Learning and Teaching« deutlich:
    • Das Gehirn ist ein lebendes System
    • Das Gehirn / der Geist ist auf Sozialverhalten hin ausgerichtet
    • Die Suche nach Sinn geschieht durch die Bildung von (neuronalen) Mustern
    • Emotionen spielen bei der Musterbildung eine entscheidende Rolle
    • Jedes Gehirn nimmt das Ganze und die Einzelteile parallel wahr und erschafft gleichzeitig beides neu
    • Zum Lernen gehört die gerichtete Aufmerksamkeit sowie die periphere (Arnold 2002, S. 109-117)
    Aus den insgesamt zwölf Prinzipien schlussfolgert Margret Arnold zusammenfassend, dass auf Grund der unterschiedlichen Reaktion des Gehirns auf sinnlose und sinnvolle Informationen, Pädagogen der Unterschied zwischen Auswendiglernen (memorization) und sinnvollem Lernen (meaningful learning) bewusst sein sollte.
    Hierbei kann man auch von gefühltem Sinn oder gefühlter Bedeutung sprechen (felt sense / meaning) (vgl. Arnold 2002, S. 119). Hiermit ist das Gefühl gemeint, dass uns etwas betrifft, dass etwas wertvoll ist.
    Das Spannungsfeld zwischen Hirnforschung und Erziehung ist auf den Praxisbezug gerichtet. An eben dieser Anknüpfung zur Praxis wird jedoch teilweise Kritik geübt, denn die Hirnforschung liefert Erklärungen für Wissen, das sich reflektierende Pädagogen über Erfahrungen bereits aneignen und die wissenschaftliche Disziplinen, beispielsweise die Psychologie mit anderen Herangehensweisen erschließen (vgl. Herrmann 2009, S. 10, Arnold 2002, S. 109).
    Pädagogisch zentrale Begriffe, wie »Selbst« und »freier Wille« werden, so eine weitere Kritik, auf physikalische Prozesse reduziert und damit in Frage gestellt (Speck 2009, S. 7).
    Zur weiteren Vertiefung sind die folgenden Links hilfreich:
    • Seit seiner Gründung im April 2004 konzentriert sich das ZNL TransferZentrum für Neurowissenschaften und Lernen in Ulm auf Gehirn- und Bildungsforschung, was es ihm ermöglicht, bildungsrelevante Erkenntnisse der Neurowissenschaften von der Theorie in die Praxis zu übertragen. ZNL Ulm
    • Hubert Beck hat einen Artikel zum Thema »Neurodidaktik - Wie lernen wir?« veröffentlicht. Dieser erschien in Erziehungswissenschaft und Beruf, Heft 3/2003.
    • Gerhard Maier beschäftigt sich in seinem Text »Die Neurowissenschaft auf der Seite der Erneuerer« ebenfalls mit diesem Thema.
    • Christian Eurich vom Institut für Theoretische Neurophysik, Zentrum für Kognitionswissenschaften, Universität Bremen hat sich in einem Vortrag mit dem Zusammenhang von Kognition und Lernen aus neurowissenschaftlicher Sicht auseinander gesetzt.
    • In Die Zeit (48/2002) ist ein lesenswerter Artikel zum Thema erschienen:
      »Auf der Suche nach dem Kapiertrieb«, von Ulrich Schnabel
    • Die Zeit (Nr.40) veröffentlichte einen weiteren Artikel, der am 25.09.2003 erschien:
      »Im Land der märchenhaften Zahlen: Die Neurodidaktik wird die Pädagogik nicht umwälzen – dennoch kann sie vieles leisten«, von Gerhard Friedrich
    • Thomas Bürger schrieb 2007 über »Neurodidaktische Reflexionen: Neurobiologische Ergebnisse grundschuldidaktisch gewendet«.
    • Schließlich stellt Dipl.Päd. Monika Armand eine umfangreiche Internetseite mit Informationen über Neuropädagogik und Neurodidaktik zur Verfügung.

     

    Literaturverzeichnis:
    • Arnold, Margret (2002): Aspekte einer modernen Neurodidaktik. Emotionen und Kognitionen im Lernprozess. München: Vögel.
    • Herrmann, Ulrich (Hg.) (2009): Neurodidaktik. Grundlagen und Vorschläge für gehirngerechtes Lehren und Lernen. 2. Aufl. Weinheim: Beltz.
    • Speck, Otto (2009): Hirnforschung und Erziehung. Eine pädagogische Auseinandersetzung mit neurobiologischen Erkenntnissen. 2. Aufl. München: E. Reinhardt.
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Kognitionspsychologie

Lernen ist vor allem ein Forschungsgegenstand der Kognitionspsychologie. Die Kognitionspsychologie beschäftigt sich mit der Entwicklung, der Simulation und der experimentalpsychologischen Prüfung von Theorien über kognitive Funktionen.
Bei der kognitiven Psychologie wird davon ausgegangen, dass kognitive Prozesse (kognitive Strukturen) einen erheblichen Einfluss auf das Verhalten und damit auch das Lernen ausüben. Wenn das Lernverständnis auf Erkenntnissen der kognitiven Psychologie beruht, wird auch von Kognitivismus gesprochen.
Teilbereiche der kognitiven Psychologie, die sich z.B. mit Aufmerksamkeit und Motivation für das Lernen beschäftigen, sind besonders bedeutungsvoll.
Zum Verständnis kognitiver Wahrnehmungsprozesse ist das Wissen über die unterschiedlichen Möglichkeiten der Weltaneignung mittels Top-Down und Bottom-Up hilfreich, wobei der Denker zu einem Top-Down-Ansatz (vom Allgemeinen zum Speziellen – Deduktion) neigt.
Einen allgemeinen Überblick zum Forschungszusammenhang über die biologischen und psychologischen Grundlagen des Lernens finden sich im Internet unter:
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  • Kognitivismus
    Bei den kognitiven Lerntheorien (Lernen durch Auf- und Ausbau von kognitiven Strukturen) wird der Lernende als Individuum betrachtet, das äußere Reize aktiv und selbstständig verarbeitet.
  • Danach werden Sinnesdaten auf Grund des aktuellen Erfahrungs- und Entwicklungsstands auf selektive Weise wahrgenommen, interpretiert und verarbeitet. Menschliche Wahrnehmung wird somit als aktive Konstruktionsleistung der einzelnen Person und nicht als passive Aufnahme und Verarbeitung von Information angesehen, bei der einzelne Inputs an eine zentrale Verarbeitungseinheit weitergeleitet werden. Nach diesem Ansatz ist die Informationsverarbeitung durch das Gehirn ein mehrschichtiger, aktiver Prozess, bei dem wir besonders schnell das wahrnehmen können, was wir bereits kennen. Neue Reize werden immer mit Informationen abgeglichen, die bereits im Gedächtnis gespeichert sind, wodurch Bedeutung in Anlehnung an das vorhandene Wissen erschlossen wird. Insofern gibt es keine objektive Erkenntnis, weil es keine objektive Wahrnehmung gibt.
    Wie verarbeitet der Einzelne seine Umwelt in Wissensstrukturen? Dies geschieht durch Wechselwirkungen zwischen externer, medialer Präsentation und internen Verarbeitungsprozessen. Sowohl unmittelbare (Interaktion mit der Natur, Menschen, Gegenständen) als auch mittelbare Umwelterfahrungen (Medien) dienen als Basis einer über Prozesse der Assimilation und Akkommodation verlaufenden Entwicklung von so genannten „kognitiven Strukturen“. Die kognitiven Strukturen repräsentieren das jeweils subjektiv zur Verfügung stehende Wissen über die Umwelt. Das Wissen ist das Ergebnis wie auch die Voraussetzung seiner kognitiven Verarbeitungsprozesse. Erkenntnisse werden nicht in der Erfahrung gefunden, sondern vom Erfahrenden gedacht. Wissen wird demzufolge intern generiert.
    Lernen wird als ein Teilphänomen von Informationsaufnahme und -speicherung interpretiert. Die kognitiven Operationen des Lernenden im Umgang mit dem Lernangebot werden dabei als entscheidende Faktoren für den Lernprozess angesehen. Das entsprechende didaktische Design eruiert die Voraussetzungen für das Lernen, reflektiert die verschiedenen Einflüsse auf den Aneignungsprozess, sucht nach den günstigen Lernprozessen für die Aneignung von Wissen, bringt den Bezug zwischen Informationsdarstellung und Behaltensleistung miteinander in Verbindung und eruiert Faktoren, die das Erinnern von Wissen begünstigen. Eine grundlegende Voraussetzung für die Effektivität dieses Ansatzes liegt in der Kenntnis der jeweiligen Lernprozesse, die für die Aneignung der gewünschten Lerninhalte notwendig sind.
    Der kognitionstheoretische Ansatz ist geprägt von einer implizit moderaten Steuerung von Lernprozessen durch Instruktion. Den Lernprozess anregende Aufgaben, strukturierte und aufbereitete Inhalte, geeignete Hilfestellungen und angemessene Rückmeldungen erleichtern nach dieser Theorie die Informationsaufnahme, -interpretation und -verarbeitung.
    Christian EURICH vom Institut für Theoretische Neurophysik, Zentrum für Kognitionswissenschaften, Universität Bremen hat sich in einem Vortrag mit dem Zusammenhang von Kognition und Lernen aus neurowissenschaftlicher Sicht auseinander gesetzt.
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  • Top Down und Bottom Up
    Unsere Wahrnehmungsprozesse werden von Konzepten gesteuert. Vorhandene Hypothesen werden mit einer Reizinformation abgeglichen. Vorwissen, Erwartung und Kontextinformation bilden das Ausgangsmaterial von Hypothesen, die wiederum Ausgangsbasis für die nachfolgenden, detaillierten Sinnesinformationen sind.
  • Mit dieser Datengrundlage werden die Hypothesen verworfen oder bestätigt. Frühere Erfahrungen mit der Wahrnehmungswelt, die sich in den Gedächtnisinhalten manifestieren, gelten als Basis der Hypothesen, mit denen Reizinformationen verglichen werden. Der Vergleich findet unwillkürlich und unbewusst statt. Beim Prozess des Abgleichens wird gezielt nach Merkmalen gesucht, die zu dem aktivierten Konzept (Hypothese) passen. Gegebenenfalls werden Deutungsalternativen abgegrenzt. Personen gehen an die Lösung einer Aufgabe mit einem eigenen Schema, einer eigenen Strategie oder einem eigenen Rahmen heran.
    Wenn ein Modell (Theorie) die Ausgangsbasis des Abgleichens ist, wird von einer Top-Down-Strategie gesprochen (deduktive Logik = vom Allgemeinen zum Speziellen). Bottom-up-Strategie wird die Methode genannt, bei der Details und Einzelaspekte den größeren Einfluss auf die Wahrnehmungsleistung einer Person haben (induktive Logik = vom Speziellen zum Allgemeinen).
    In Anlehnung an diese Begriffe der Wahrnehmungsforschung wird von Top-Down-Ansatz gesprochen, wenn in einem Lernprozess Modelle, abstrakte Überlegungen und systematische Zusammenhänge den Ausgangspunkt des Lernprozesses bilden. Wenn reale Erfahrungen, faktische Details, eine konkreten Situation oder Aufgabe den größeren Einfluss auf den Lernprozess haben, wird dies als Bottom-up-Ansatz bezeichnet.
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  • Aufmerksamkeit
    Für unsere Handlungssteuerung sowie unsere Wahrnehmung und somit auch für das Lernen hat die Aufmerksamkeit eine wesentliche Funktion. Aufmerksamkeit sorgt dafür, dass wir die in unserem Gesichtsfeld befindlichen Objekte genauer und schneller wahrnehmen als unbeachtete Gegenstände.
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Rationalismus

Rationalismus ist eine »Sammelbezeichnung für diejenigen philosophischen Richtungen, die die Vernunft (ratio) zum Prinzip erheben« (Preußner, 2003).
Die Vernunft oder der Verstand werden als die entscheidenden Erkenntnisinstrumente angesehen (vgl. Hügli, 1996, Rationalismus). Sie stehen den anderen Vermögen der menschlichen Seele überlegen gegenüber (vgl. Nimitz, 2009, S.218), den Kräfte, die »nur das Werdende und Vergängliche erfassen können (Sinnlichkeit)«. Wissen über die Welt soll jedoch durch »a priori Überlegungen« gewonnen werden (vgl. Nimitz, 2009, S.218).
Vertreter des Rationalismus sind der Überzeugung, »die Vernunfterkenntnis erlaube uns die Struktur der Realität zu erkennen (...), die Existenz Gottes zu beweisen (...) und die Natur der Seele zu bestimmen (...)« (Nimtz, 2009, S. 218). Die Überbetonung der Vernunft als grundlegendes Erkenntnisinstrument, ist jedoch kritisch zu sehen. Zurecht stellt sich die Frage, warum Rationalisten der Überzeugung sind, Weltwissen aus a priori Überlegungen gewinnen zu können und worauf dieser Erwerb von Weltwissen beruht. Rationalisten argumentieren damit, dass Begriffe, wie das »perfekte Dreieck« ohne die vernünftige Überlegung nicht verfügbar wären, das Kausalprinzip wäre nicht denkbar. Dass dieses Wissen dennoch einen Ursprung haben muss, erklärt die rationalistische Vorstellung von eingeborenen Begriffen und Intuition (vgl. Nimtz, 2009, S. 218). Unter der eingeborenen Idee (idea innatae) versteht man die Vorstellungen, die nicht auf dem Weg des Sinnlichen gewonnen werden und dennoch dem Menschen gegeben sein können (vgl. Preußner, 2003).
Den Rationalismus kennzeichnet somit vor allem sein erkenntnistheoretischer Optimismus. Darin liegt ein grundsätzliches Vertrauen in die unbegrenzte menschlich Erkenntnisfähigkeit und die Überzeugung, dass alle Probleme, die sich bei der Erforschung des Seienden stellen, prinzipiell lösbar seien, denn Hemmnisse zur Erfassung des Ganzen sind vorübergehend wie uns das Beispiel des Vakuum-Experiments zeigt.
Anhand der zwei verschiedenen Bedeutungen des Vernunfthaften, die Preußner beschreibt, wird der Weg des Ergründens klarer. Er unterscheidet den sprachlichen Charakter (logos) - die Gabe des Sprechens und die Dinge zu bezeichnen - und den des Rechnens (ratio als Zahlenverständnis). Damit ist die Vernunft im Sinne des rechnerisch-planenden Vermögens gemeint. Dieses Vermögen setzt das konstruierende Ordnen und Bauen voraus, während der sprachliche Charakter eine betrachtende, theoretische Aneignung des Seienden impliziert (vgl. Preußner, 2003).
Doch können Rationalisten rechtfertigen, dass gewonnene Überzeugungen über die Welt wahr sind? Im historischen Rückblick wollte Platon die Korrektheit der Erinnerung damit verbürgen, dass unsere Seelen vor der Geburt die Ideen »geschaut« hätten. Descartes wiederum war sich eines gütigen Gottes »als Garant der Wahrheit« sicher (Nimtz, 2009, S. 219).
Besondere Bedeutung erlangte der Rationalismus im 17. und 18. Jahrhundert, in der Zeit der Aufklärung. Wichtige Vertreter und rationalistische Vordenker waren neben dem antiken Vordenker Platon, vor allem René Descartes, Baruch de Spinoza, Gottfried Wilhelm Leibnitz und Christian Wolff (vgl. Hügli, 1996, Rationalismus; Nimtz, 2009, S. 218; Preußner, 2003).
In der Tradition des Rationalismus stehen u.a. der Skeptizismus und der Szientismus.
Kritik:
Immanuel Kant, der sowohl die Einseitigkeit des Rationalismus als auch die des Empirismus überwinden wollte, meinte einmal kritisch, dass uns eine Vernunfterkenntnis lediglich vor Augen führen könnte, unter welchen Bedingungen das Subjekt erkennt, die Erkenntnis hingegen sei erfahrungsabhängig und von externen Umständen beeinflusst. Er bestritt, dass man »aus reiner Vernunft Wissen über die Seele, Gott, oder die Realität als Ganzes gewinnen könne.« (Nimtz, 2009, S. 218, vgl. Hügli, 1996, Rationalismus). Auch heute stehen viele gegenwärtige Philosophen dem Rationalismus skeptisch gegenüber. Dennoch mag unser Wissen auf rationalistische Wurzeln zurückzuführen sein, auch wenn dieses weiterführend im Sinne empirischer, szientistischer, behavioristischer oder letztlich skeptizistischer Erkenntnistraditionen ergründet, geprüft und anerkannt wird.
Als Galileo Galilei sich in das Wesen der Bewegung vertiefte war seine Behauptung, zwei Gegenstände mit unterschiedlicher Masse müssten zur gleichen Zeit auf der Erde aufkommen, wenn sie sich in einem Vakuum befänden, allein Ergebnis eines Gedankenexperiments. Große Geister wie Albert Einstein konnten allein durch vernünftige, logische Überlegung die Wirklichkeit ergründen. Wie lange hätten Menschen ohne große Denker daran geglaubt, die Erde sei eine Scheibe, wenn nur rationalistische Wissenschaftstraditionen die Deutungshoheit über wissenschaftliche „Wahrheiten“ gehabt hätten? Die Beispiele zeigen, wie der Verstand Erkenntnisse barg, bevor es die Möglichkeit einer empirischen Überprüfung gab und dass es möglich zu sein scheint, durch andere Denkweisen über die vermutete Täuschung der Sinne hinauszukommen.
Quellen:
  • Volker Gadenne (Hg.): Kritischer Rationalismus und Pragmatismus 1998. Linz: Rodopi(Schriftenreihe zur Philosophie Karl R. Poppers und des kritischen Rationalismus, 10).
  • Anton Hügli: Philosophie-Lexikon. Das elektronische Nachschlagewerk für den Fachphilosophen und den philosophisch interessierten Laien 1996. München: Systhema. Online verfügbar unter: rzblx10.uni-regensburg.de/dbinfo/detail.php?bib_id=ub_a&colors=&ocolors=&titel_id=1929.
  • Christian Nimtz: Rationalismus, In: Stefan Jordan & Christian Nimtz (Hg.): Philosophie. Hundert Grundbegriffe, Stuttgart: Reclam 2009, 218–221.
  • Andreas Preußner: Rationalismus In: Wulff D. Rehfus: Handwörterbuch Philosophie. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht (UTB Philosophie, 8208). 2003 Online verfügbar unter www.philosophie-woerterbuch.de/.
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  • Skeptizismus
    Mit Skeptizismus (von griechisch griechische Übersetzung von Skeptizismus , skeptikós - der Skeptiker) bezeichnet man eine erkenntnistheoretische Strömung, die davon ausgeht, dass weder der Verstand (Rationalismus) noch die Erfahrung (Empirismus) unfehlbare Erkenntnis liefern kann.
    Die Erkenntnis von letzten bzw. von grundlegenden Wahrheiten wird prinzipiell für unmöglich gehalten. Da Hypothesen auf Vorannahmen beruhen, kommt es zwangsläufig zu einer unendlichen Beweiskette, deren Basis nicht zu ergründen sei.
  • Ein wichtiger Vertreter des Skeptizismus ist David HUME, der den Skeptizismus systematisch begründete. Nur für die mathematischen Beziehungen erkennt er Gewissheit an, da sie seiner Auffassung nach »durch die reine Tätigkeit des Denkens zu entdecken« sind. Alle so genannten objektiv-realen Kausalzusammenhänge seien subjektiv-psychologische Ordnungsprinzipien und somit Ableitungen aus Erfahrungen oder die Wirkung von Gewohnheiten. Seine Erkenntnistheorie basiert auf der Behauptung, dass dem Verstand nur Sinneseindrücke (impressions) gegenwärtig seien. Die Existenz materieller Dinge (die objektive Realität) könnten im Bewusstsein nicht abgebildet werden, daher würden nur Annahmen, die sich aus Gewohnheit entwickelt haben, erkannt. Theoretisch ergibt sich daraus die Nichterkennbarkeit materieller Dinge. Verabsolutiert man den Skeptizismus, hebt man ihn zugleich auf. Es gilt, dem Skeptizismus gegenüber auch skeptisch zu bleiben.
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  • Szientismus
    In der Wissenschaftstheorie wird als Szientismus (lat. scientia: Wissen[schaft]) eine Auffassung bezeichnet, die an den exakten und empirischen Wissenschaften (Mathematik, Physik, Naturwissenschaften) orientiert ist.
  • Szientistisches Denken ist damit eng mit einem naturwissenschaftlichen Verständnis verbunden. Eine extreme Auslegung des Szientismus geht davon aus, dass nur wissenschaftliche Behauptungen sinnvoll sind.
    Über Themengebiete wie Religion oder Metaphysik wird im Szientismus nicht nachgedacht, da diese Dinge als sinnlos und nicht-existent angesehen werden. LOCKEs Betrachtung der Gesellschaft als ein mechanisches System, das wie das physikalische Universum den Naturgesetzen unterworfen ist, führte dazu, dass der Szientismus Eingang in die Sozialwissenschaften erhielt.
    Durch die Relativitätstheorie EINSTEINs und die Quantentheorie PLANCKs erhielt die von Isaac NEWTON ausformulierte mechanistisch-szientistische Naturauffassung eine Einschränkung.
    Bekannte Vertreter des Szientismus sind:
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© Prof. Dr. Franz Josef Röll, Dr. Robert Löw, Hochschule Darmstadt   |   Stand 26.03.2018
robertloew.de/lerntyp/denker/wissenschaft_lerner.html
 
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