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Lernpräferenztest Prof. Dr. Franz Josef Röll, Dr. Robert Löw


 
Wissenschaft Lerner für Lernpräferenz Ästhet
   
Lernpräferenz Ästhet

Wissenschaft Ästhet

 

In dieser Rubrik werden Verbindungen zu fachwissenschaftlichen Diskursen hergestellt. Hinweise sollen gegeben werden auf Forschungstraditionen, deren Ergebnisse nachvollziehbar machen, warum dieser Lernpräferenztyp durch visuell-ästhetische Anregungen Impulse zum Lernen bekommt.
Susanne Langer hat in ihrem Buch »Philosophie auf neuem Wege. Das Symbol im Denken, im Ritus und in der Kunst« (1965) unterschieden zwischen zwischen »diskursiver« und »präsentativer Symbolisierung«. Die präsentative Symbolisierung ermögliche Artikulationen, die sich der diskursiven Logik widersetze. Diese Differenzierung wurde zur Grundlage ihrer ästhetischen Theorie.
Die Gestaltpsychologie ist eine Forschungsrichtung, deren Wurzeln in das 19. Jahrhundert reichen. Ihre besondere Entfaltung erfuhr sie in den 20er bis 40er Jahren des letzten Jahrhunderts in Deutschland. Ihr Anliegen ist es Gesetzmäßigkeiten zu finden, mit deren Hilfe man Bilder und/oder Szenen immer nur in einer bestimmten Art und Weise wahrnehmen kann.
Die Hemisphärenforschung setzt sich mit den unterschiedlichen Arbeitsweisen der beiden Hemisphären unseres Gehirns auseinander. Dieser Forschungszweig, kann erklären welche Vorgänge im Gehirn den Menschen in die Lage versetzen, ein ästhetisches Urteil zu fällen. Zugleich wird durch sie verdeutlicht, dass die multioptionale Fähigkeit unseres Gehirnes nur dann optimal genutzt wird, wenn es zu einem permanenten Dialog zwischen den beiden Hemisphären kommt.
Literatur :
  • Langer, Susanne: (1942): Philosophie auf neuem Wege. Das Symbol im Denken, im Ritus und in der Kunst. Frankfurt/M 1987.

Präsentativer Symbolismus

Die Sprache ist nach Auffassung von Susanne Langer keinesfalls unsere einzige artikulierte Hervorbringung. Jenseits der Diskursivität gibt es Phänomene, die sich nicht in einem »logischen Jenseits« befinden. »Unsere Sinneserfahrung ist bereits ein Prozeß [sic] der Formulierung« (Langer 1987, S. 95). Aus dem Chaos der Sinnesempfindungen müssen unsere Sinnesorgane Formen auswählen. Augen und Ohren scheinen das sensorische Feld nach bestimmten Mustern und Sinnesdaten zu gliedern. Aus diesem Grund wächst den Formen Bedeutung zu.
Unserem Empfangsapparat wohnt eine Tendenz inne, das sensorische Feld in bestimmte Muster von Sinnesdaten zu gliedern. Sobald die Außenwelt auf unsere Rezeptoren wirkt, beginnt bereits »das Geistige« in der Tätigkeit unserer Sinne. Aus der Flut von Lichteindrücken werden Formen wahrgenommen. Die Formen der Wahrnehmung, die intuitiv und unbewusst vollzogenen Abstraktionen, entsprechen den primitivsten Instrumenten unserer Intelligenz. »Sie sind echtes symbolisches Material, Medien des Verstehens, durch deren Vermittlung wir eine Welt von Dingen und von Ereignissen erfassen, die die Geschichte der Dinge sind« (ebd., S. 98).
Langer vermutet einen unbewussten »Sinn für Formen«, der die Wurzel aller Abstraktion ist (ebd, S. 93). Diese Abstraktionsfähigkeit ist wiederum die Bedingung für Rationalität. Rationalität ist daher tief verankert in unserer animalischen Erfahrung, »in unserer Wahrnehmungsfähigkeit, in den elementaren Funktionen unserer Augen, Ohren und Finger« (ebd., S. 96). Der Stempel des Geistigen trägt alle Sensitivität, das geistige Leben beginnt schon mit unserer physiologischen Konstitution. Sich beziehend auf die Gestaltpsychologie von Wolfgang Köhler und Max Wertheimer konstatiert sie die geistige Tätigkeit unserer Sinne von Anbeginn an. Dementsprechend ist Sehen kein passiver Vorgang, sondern selber schon ein Formulierungsprozess. »Unser Verständnis der sichtbaren Welt beginnt im Auge« (ebd., S. 97).
Die grundlegenden Wahrnehmungsformen, die die elementaren Abstraktionen des von unseren Sinnen erfassten symbolischen Materials liefern, gehören nach Auffassung von Langer der präsentativen Ordnung an. »Visuelle Formen - Linien, Farben, Proportionen usw. - sind ebenso der Artikulation, d.h. der komplexen Kombination fähig wie Wörter. Aber die Gesetze, die diese Art von Artikulation bestimmen, sind von denen der Syntax, die die Sprache regieren, grundverschieden. Der radikalste Unterschied ist der, dass visuelle Formen nicht diskursiv sind. Sie bieten ihre Bestandteile nicht nacheinander, sondern gleichzeitig dar, weshalb die Beziehungen, die eine visuelle Struktur bestimmen, in einem Akt des Sehens erfaßt [sic] werden« (ebd., S. 99).
Während zwischen Anzeichen und Symbol ein logischer Unterschied besteht, weist die von Langer vorgenommene Unterscheidung zwischen diskursiven und präsentativen Strukturen formale Verschiedenheit auf. Im strengen Sinne ist Sprache ihrem Wesen nach diskursiv. Die Sprache hat festgelegte Äquivalenzen, besitzt permanente Bedeutungseinheiten, die zu größeren Einheiten verbunden werden können. »Die durch die Sprache übertragenen Bedeutungen werden nacheinander verstanden und dann durch den als Diskurs bezeichneten Vorgang zu einem Ganzen zusammengefaßt[sic]; die Bedeutungen aller anderen symbolischen Elemente, die zusammen ein größeres, artikuliertes Symbol bilden, werden nur durch die Bedeutung des Ganzen verstanden, durch ihre Beziehung innerhalb der ganzheitlichen Struktur. Daß sie überhaupt als Symbole fungieren, liegt daran, daß sie alle zu einer simultanen, integralen Präsentation gehören. Wir wollen diese Art von Semantik präsentativen Symbolismus nennen, um seine Wesensverschiedenheit vom diskursiven Symbolismus, das heißt von der eigentlichen Sprache zu charakterisieren« (ebd., S. 103). Der präsentative Symbolismus reicht von den elementaren intuitiven Abstraktionen der Gestalterkennung (Bilder, Metaphern) über den Traum, Ritus, Musik, Mythos, die Bereiche der Phantasie und der Emotionen bis zur bildenden Kunst. Präsentativ meint alle nicht den logischen Gesetzmäßigkeiten der Sprache gehorchenden, simultanen integralen Präsentationen.
Quelle :
  • Röll, Franz Josef (1998): Mythen und Symbole in populären Medien. Der wahrnehmungsorientierte Ansatz in der Medienpädagogik. Frankfurt.
Literatur :
  • Langer, Susanne: (1942): Philosophie auf neuem Wege. Das Symbol im Denken, im Ritus und in der Kunst. Frankfurt/M 1987.
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Gestaltpsychologie

Die Gestaltpsychologie geht von dem Leitsatz aus, dass das Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile. Der Überblick über die gesamte Problemsituation gilt daher als Voraussetzung für das Problemlösen, da nur dann die Befähigung gegeben ist die Teile zu einem Gesamtbild zusammenzufügen.
Die Gestaltpsychologie lehrt, dass die Formwahrnehmung über das Erfassen des visuellen Reizes hinausgeht. Formen, Figuren oder Gestalten sind dieser Theorie gemäß das Ergebnis von Prozessen der Gliederung und Herstellung von Zusammenhängen im Wahrnehmungsfeld. Indem ich wahrnehme, trenne ich eine Figur von einem Hintergrund. Bestimmte Elemente werden von unserem visuellen System als Figuren aufgefasst, während das übrige visuelle Feld als Hintergrund interpretiert wird. Diese Leistung des Wahrnehmungssystems gilt als Voraussetzung für sichere und schnelle Orientierung und wird Figur-Grund-Unterscheidung genannt. Abhängig ist die Unterscheidung von Figur und Grund von der Bildung von Gestalten.
Die Gestalttheoretiker Max Wertheimer, Wolfgang Köhler, und Kurt Koffka haben bei ihren Untersuchungen u.a. folgende Gesetzmäßigkeiten herausgearbeitet:

Nach längerer Betrachtung »kippt« der Würfel. Dieses »Kippen« wird als Gestaltwechsel bezeichnet.
»Die Kanten des Würfels sind imaginär; sie werden von unserem Gehirn nach dem Gesetz der guten Fortsetzung erzeugt.«
Einsicht ist nach Auffassung der Gestaltpsychologie die Voraussetzung für das Problemlösen. Ein Mensch löst demgemäß ein Problem, wenn er in der Lage ist, eine Beziehung zwischen den Elementen einer Problemsituation wahrzunehmen.
Die Gestaltpsychologie lehrt, dass die Formwahrnehmung über das Erfassen des visuellen Reizes hinausgeht. Formen, Figuren oder Gestalten sind dieser Theorie gemäß das Ergebnis von Prozessen der Gliederung und Herstellung von Zusammenhängen im Wahrnehmungsfeld. Indem ich wahrnehme, trenne ich eine Figur von einem Hintergrund. Bestimmte Elemente werden von unserem visuellen System als Figuren aufgefasst, während das übrige visuelle Feld als Hintergrund interpretiert wird. Diese Leistung des Wahrnehmungssystems gilt als Voraussetzung für sichere und schnelle Orientierung und wird Figur-Grund-Unterscheidung genannt. Abhängig ist die Unterscheidung von Figur und Grund von der Bildung von Gestalten. Die Gestalttheoretiker haben bei ihren Untersuchungen folgende Gesetzmäßigkeiten herausgearbeitet:
  1. Gesetz der Ähnlichkeit: Einander ähnliche Elemente werden eher als zusammengehörig erlebt als einander unähnliche.
  2. Gesetz der Nähe: Elemente mit geringen Abständen zueinander werden als zusammengehörig wahrgenommen.
  3. Gesetz der Kontinuität übereinstimmendes Verhalten: Gesetz der (objektiven) Einstellung (frühere Gruppierungen werden bevorzugt).
  4. Gesetz des Aufgehens ohne Rest Abstoßung oder Ergänzung: Gesetz der durchgehenden Kurve (des glatten Verlaufs).
  5. Gesetz der Geschlossenheit: Linien, die eine Fläche umschließen, werden unter sonst gleichen Umständen leichter als eine Einheit aufgefasst als diejenigen, die sich nicht zusammenschließen.
Es gibt nach Auffassung der Gestaltpsychologie eine Tendenz unseres Wahrnehmungssystems, unser Wahrnehmungsfeld möglichst einfach zu strukturieren, das so genannte Gesetz zur guten Gestalt (Prägnanzeffekt). Wenn Teile und Einheiten eines Musters auf einer Linie liegen oder ihre Richtungen nur geringe Abweichungen aufweisen, unterstellen wir eine stetige Fortsetzung. Bei abrupten Richtungsänderungen interpretieren wir Konturen als nicht zusammengehörig. Demgemäß deckt unser Wahrnehmungssystem im visuellen Reizmuster objektive Strukturen und Gruppierungen unserer Umwelt auf.
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Hemisphärenschichtforschung

Die Vermutung, dass in unserem Gehirn unterschiedliche Areale für spezifische Fähigkeiten zuständig sind, wurde bereits im 19. Jahrhundert geäußert. 1861 wies Paul Broca nach, dass es in unserem Gehirn ein Sprachzentrum gibt. Etwa zehn Jahre später fanden Forscher heraus, dass die rechte bzw. linke Gehirnseite die jeweils gegenüberliegende Körperhälfte beeinflussen.
Quelle: Gabriele L. Rico: Garantiert schreiben lernen. Reinbek 1987, S. 70
Unsere Großhirnrinde besteht aus zwei Hemisphären, die voneinander getrennt sind. Maßgeblich wurde die Vorstellung, dass die beiden Hemisphären für unterschiedliche Aktivitäten zuständig sind, von der von Roger Sperry (1974) und John Carew Eccles (1993) entwickelten Split-Brain-Forschung geprägt. Sie konnten beobachten, dass es Prozesse gibt, bei denen beide Gehirnregionen unterschiedlich aktiv sind. Bei einzelnen Prozessen wurden spezielle Areale bevorzugt aktiviert. Nach deren Erkenntnissen ist die die linke Hemisphäre für analytisches, logisches, rationales, lineares und sprachliches Denken zuständig, wohingegen die rechte für ganzheitliches, bildhaftes, kreatives und intuitives Denken zuständig ist.
Vernachlässigt werden darf nicht, dass es sich bei diesem Konzept um ein Denkmodell handelt, das am ehesten für den Rechtshänder zutrifft. Da in unserer Gesellschaft Rechtshänder überwiegen, ist es durchaus sinnvoll, die Prämissen dieser Theorie nicht außer Acht zu lassen. Bei etwa 95% der Rechtshänder und etwa 60% der Linkshänder ist die linke Hemisphäre Träger der sequentiellen Informationsverarbeitung, welche beim Sprachverstehen, Sprechen und logischen Denken dominiert. Von einer universellen Zuordnung von bestimmten Fähigkeiten und entsprechenden Gehirnregionen sollte jedoch nicht ausgegangen werden.
Physiologisch gesehen ist die linke Gehirnhälfte zum größten Teil aus vielen kurzen neuronalen Verbindungen zusammengesetzt, in der rechten überwiegen die langen Verbindungen. Beide Gehirnteile sind durch das Corpus Callosum verbunden. Das Corpus Callosum (der Balken) ist der zentrale Gewebebereich in unserem Gehirn, über den die beiden Hemisphären Informationen miteinander austauschen. Es besteht aus mehreren Millionen Nervenfasern.
Bei vielen Aktivitäten, so z.B. bei der Sprache, kommt es zu einem Zusammenspiel beider Hemisphären. So ist z.B. der Wortschatz in der linken Hemisphäre verankert, während die (semantische) Bedeutung der einzelnen Worte meist in der rechten Gehirnhälfte zu finden ist.
Die Hemisphärenschichtforschung gibt den Wissenschaftlern immer noch Rätsel auf. Während relativ klar ist, welche Aufgaben die linke Hemisphäre übernimmt, kennt man die Funktionen der rechten Hemisphäre erst grob.
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  • Split-Brain-Forschung
    Nach Auffassung von Roger Sperry sind beide Hirnhälften physiologisch voneinander getrennt, werden aber durch einen dicken Nervenstrang (Balken oder Corpus callosum) verbunden.
  • Sperry entdeckte bei Split-Brain-Patienten eine Reihe von Wahrnehmungsausfällen, die ihn dazu veranlassten, von unterschiedlichen Funktionen der beiden Hirnhälfte auszugehen. Bei Split-Brain-Patienten wurde zur Behandlung bestimmter Formen der Epilepsie das Corpus callosum operativ durchtrennt. Durch die fehlende Verbindung lassen sich epileptische Anfälle besser kontrollieren, da sie sich jeweils nur in einer Gehirnhälfte ausbreiten können.
    Sperry fand heraus, dass diese Patienten Wörter, die auf der linken Seite ihres Gesichtsfelds stehen, zwar sehen (rechte Hirnhälfte) und mit der linken Hand auch schreiben können. Sie sind aber nicht in der Lage zu sagen, was sie geschrieben und gelesen haben. Dies gelingt ihnen nur dann, wenn sie das Wort auch mit der linken Hirnhälfte »sehen«. Daraus folgerte Sperry, dass das primäre Sprachzentrum auf der linken Seite liegt.
    Er vermutet daher, dass jede Hemisphäre über das Corpus Callosum bestimmte Prozesse oder Funktionen der anderen Gehirnhälfte mitbeeinflussen kann. Deutlich wird dies auch durch die Schilderung einer Patientin:
    »Ich öffne die Schranktür. Ich weiß, was ich anziehen will. Während ich mit meiner rechten Hand nach etwas greife, kommt meine linke dazwischen und nimmt etwas anderes. Ich kann es nicht mehr hinlegen, wenn ich es einmal in der linken Hand halte. Ich muss dann meine Tochter rufen.«
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Ästhetik

»Ästhetik« wird im allgemeinen Sinne als der Bereich der Welt und Selbstbezüge bezeichnet, der zwischen den sinnlich wahrnehmbaren Eigenschaften von Objekten und Dingen (Außenwelt) und der subjektiv leibseelischen-geistigen Wahrnehmungstätigkeit steht. Im Alltag werden unter dem Begriff »ästhetisch« meist »schön«, »geschmackvoll« oder »ansprechend« verstanden.
In der Wissenschaft gibt es unterschiedliche Bedeutungskontexte. Mit Ästhetik (altgriechisch Giechische Darstellung von Ästhetik aísthesis »Wahrnehmung«, »Empfindung«) wird einerseits die Lehre von der Schönheit bezeichnet. Hier geht es um die Gesetzmäßigkeiten und Harmonie in der Natur und Kunst. Andererseits bezieht sich dieser Begriff auch auf die ursprüngliche Bedeutung und bedeutet die Lehre von der sinnlichen Erkenntnis (Aisthesis). Alles, was unsere Sinne bewegt ist nach diesem Verständnis ästhetisch.
  • Sinnliche Erkenntnis (Aisthesis)
    Der Begriff Ästhetik ist von dem griechischen Wort aisthesis abgeleitet. Ursprünglich bedeutete er Gefühl, Geschmack, Wahrnehmung, Sinnlichkeit und Erkenntnis. Auf diesen weiten Begriff von Ästhetik beziehen sich diejenigen, die Ästhetik als die Lehre von der »sinnlichen Erkenntnis« (Wahrnehmung) ansehen. Ästhetisch ist dem gemäß alles was unsere Sinne anregt und in uns Gefühle und Empfindungen hervorruft. Ästhetik bezeichnet das Feld der Weltbezüge des Menschen, die zwischen seiner subjektive Wahrnehmung und den Eigenschaften der Außenwelt stehen. Ästhetik wird verstanden als Schulung der Wahrnehmungs- und Ausdrucksfähigkeit, der reflexiven Urteilsfähigkeit, der Stärkung der Erlebnisfähigkeit, dem Erleben von Körpererfahrungen (Theater, Tanz), der Persönlichkeitsentfaltung sowie der produktiven (künstlerischen) Kreativität. In dem hier verstandenen Sinne dient die Ästhetik dazu, die Funktion und Struktur von Welt besser zu verstehen, sich selbst im Verhältnis zur Welt zu verorten und zum besseren Verständnis der Weltsicht anderer beizutragen.
  • Die ästhetische Erfahrung bildet den Kern der ästhetischen Bildung. Sowohl bei der Wahrnehmung ästhetischer Objekte und Phänomene als auch durch produktive Gestaltung lassen sich ästhetische Bildungsprozesse auslösen. Mit ästhetischer Bildung ist die Befähigung zur komplexen Wahrnehmung gemeint, mit deren Hilfe die innere und äußere Lebenswelt gedeutet, Erfahrungen organisiert, erklärt, überprüft, verarbeitet, gegliedert und geformt werden können. Wahrnehmungskompetenz trägt sowohl zur Erfassung von Oberflächenstrukturen manifester Inhalte als auch der Tiefenstruktur latenter Sinngehalte bei. Die Praxis der Manipulation von Zeichen und ästhetischer Prozesse soll sichtbar und damit bewusst gemacht werden. Darüber hinaus geht es um die Herausarbeitung und Formung eines sich auch im konkreten Lebensalltag umsetzenden Zugewinns an perzeptivem und handlungsorientiertem Vermögen.
    Nach jedem gelungenen ästhetischen Entwurf entsteht das Bedürfnis nach Erweiterung. Daher ist die ästhetische Bildung prädestiniert dafür, ganz unterschiedliche Bildungsprozesse auszulösen. Beispielhaft sollen hier drei Handlungsfelder hervorgehoben werden.
    • Ästhetische Bildung als Analyse- und Erkenntnisinstrument: In einer immer stärker ästhetisch geprägten Kultur wird sinnliche Erkenntnis (ästhetische Bildung), d.h. auch die Kompetenz die symbolischen Botschaften mittels ästhetischer Instrumentarien zu decodieren, zu einer allseitigen Bildung für alle Kinder und Jugendliche. Die Kenntnis ästhetischer Formensprache und deren Ausdrucks- und Wirkungsmöglichkeiten befähigt nicht nur zur komplexeren Wahrnehmungsfähigkeit, der Entzifferung von Zeichensystemen, sondern auch zur kommunikativen Kompetenz, einer wesentlichen Ausgangsbedingungen für eine emanzipatorische und aufklärerische Erziehung.
      Ästhetische Bildung als Analyse- und Erkenntnisinstrument, das Erkennen von deren Ausdrucksfunktionen und das Beurteilen ihres Symbolcharakters erhält eine Schlüsselfunktion bei der Interpretation und Identifikation des aktuellen Verständnisses von sozialer und politischer Wirklichkeit. Sie ist in der Lage neben Ihrer Relevanz der Decodierung von subjektiven Weltbildern und der Befähigung zur bildhaften Kommunikation, zu sensibilisieren für wahrnehmbare Veränderungen der Gesellschaft.
    • Ästhetische Bildung als Instrument der Selbsterkenntnis: Die Thematisierung von Sinnfragen wird besonders durch den ästhetischen Produktionsprozess ausgelöst. Dies gelingt alleine schon deswegen, weil das menschliche Wahrnehmungsverhalten nie von Nutzlosigkeit geprägt und die ästhetische Erfahrung einer Grundform menschlicher Erfahrung entspricht. In der ästhetischen Erfahrung ist eine selbstzweckhafte Reflexion zur lebensweltlichen Existenz möglich. Wer sich selbst als veränderbar und nicht statisch erfährt, erlebt auch die soziale Umgebung als veränderbaren Raum. Wer gelernt hat, mit ästhetischen Mitteln in »Lebensräume« einzugreifen, hat gute Chancen, diese Erfahrungen auf den Lebensalltag zu übertragen. Beabsichtigt ist dabei, über die Deskription des Vorhandenen hinauszukommen und sowohl sich selbst als auch die Strukturen der Lebenswelt besser verstehen zu lernen. Die aktuelle Lebenserfahrung soll unter einem neuen Gesichtspunkt, mit einem anderen Standpunkt rekonstruiert, die Stabilität des Selbst gestärkt und die sinnliche Kraft gemeinschaftlichen Lernens und Lebens gespürt werden. Leben wird unter diesen Prämissen als Entwurf, als Projekt(ion) verstanden. Die selbst geschaffenen Medienprodukte repräsentieren das Ergebnis der Bearbeitung von Phänomenen der Lebensweltwahrnehmung. Es handelt sich um eine Auseinandersetzung mit dem vergangenen, dem gegenwärtigen oder dem Entwurf für ein zukünftiges, mögliches Sein.
    • Ästhetische Bildung als Handlungsraum: Mit Medien (u.a. Foto, Video, Datenerfassungsgeräte) können Sinneseindrücke festgehalten werden. So kann z.B. die Lebenswelt, die jeweils subjektiv wahrgenommene Wirklichkeit, mit einer über Symbole verknüpften Wahrnehmungswelt konfrontiert werden. Beabsichtigt ist dabei mit Hilfe der ästhetischen Bildung, über die Deskription des Vorhandenen hinauszukommen und die Strukturen der Lebenswelt besser verstehen zu lernen. Die aktuelle Lebenserfahrung kann unter einem neuen Gesichtspunkt, mit einem anderen Standpunkt rekonstruiert, die Stabilität des Selbst gestärkt und die sinnliche Kraft gemeinschaftlichen Lernens und Lebens gespürt werden. Die mediale Beschäftigung mit der Lebenswelt führt zum Erleben der Differenz zwischen dem Wissen und Wahrnehmen des Ichs und der vorhandenen Außenwelt. Die Wahrnehmung der Eindeutigkeit des vertrauten Umfeldes und seiner Denk- und Handlungsmuster wird gestört.
      Die oft verfestigte Verselbstständigung der lebensweltlichen Perspektive wird aufgebrochen. Leben wird als gestaltbarer Raum erlebt, der Projektionen, Entwürfe erlaubt. Der bewusste Prozess des Wahrnehmens meiner selbst wird geschärft. Die Erfahrungen der Konfrontation der Lebenswelt mit einer ästhetischen Erfahrung führen zu einer Transformation der bisherigen Aneignung von Wirklichkeit. Die Lebenswelt wird aus einer anderen Perspektive kennen gelernt, die aktuell zur Verfügung stehenden Deutungsmuster werden erweitert, und die Motivation, sein eigenes Leben bewusster wahrzunehmen, wird gefördert.
    Quelle :
    • Röll, Franz Josef (2007): Ästhetik in der zielgruppenorientierten Medienbildung. In: Stefan Iske, Alexandra Klein, Nadia Kutscher; Hans-Uwe Otto (Hrsg.): Grenzenlose Cyberwelt? Zum Verhältnis von digitaler Ungleichheit und neuen Bildungszugängen für Jugendliche. Wiesbaden 2007, S. 199-219
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  • Theorie der Schönheit (Ästhetik)
    »Bild« leitet sich von zwei Wortstämmen ab: »bilidi« (althochdeutsch: Wunder-Zeichen, Wesen, Gestalt) bezieht sich auf das, wodurch etwas eine Gestalt bzw. sein Wesen gewinnt und oder zur vollen Entfaltung seiner Kraft gelangt. Die Wurzel »bil-« bezieht sich aber auch auf »recht« oder »richtig« und betont das, was ein Urbild bezeichnet, nachbildet oder darstellt. Diese beiden Bedeutungsebenen lassen sich bei einem Rückblick auf die Geschichte der ästhetischen Bildung immer wieder finden.
  • Bereits der römische Philosoph Plotin (205 - 270 n. Chr.) hatte Bildung als Formen und Gestalten an sich selbst, vergleichbar einem Bildhauer, der in einem künstlerischen Akt eine Büste aus einer Statue heraus meißelt, interpretiert. Im schöpferischen, abwägenden Dialog zwischen Gestalter und Material bildet sich nach diesem Verständnis das Ergebnis langsam heraus. Bildung ist demnach vorgegebene Selbstgestaltung oder Selbstbildung. Bei Plotin orientiert sich die Selbstbildung an einem von göttlichen Zügen geprägten, bereits im Stein vorhandenen inneren Bilde. Der Lernende ist nach diesem Verständnis keineswegs frei in seiner kreativen Entwicklung.
    Eine intensivere Nähe zwischen Pädagogik und kreativer Gestaltung, verbunden mit dem Anspruch einer Entfaltung der menschlichen Autonomie und damit auch einer emanzipatorischen Veränderung lässt sich bei Kant (1723-1804) finden. Bei Kant bietet die Ästhetik die Möglichkeit sich von den Erwartungen und Zwängen der Außenwelt loszusagen. Kant sieht in der Ästhetik einen spezifischen Ausdruck einer autonomen Aktivität. Ästhetische Tätigkeiten können nach dessen Auffassung auf die »Selbstbestimmung« des Menschen einwirken, dadurch die Befreiung aus Beschränkungen begünstigen und damit autonome Handlungspotentiale eröffnen. Erst im 18 Jahrhundert gewinnt die Ästhetik, verstanden als kritische Gegenposition zum Rationalismus, an Bedeutung. Die Forderung nach einer Wissenschaft mit dem Namen Ästhetik geht auf Baumgarten (1735) zurück. Er verstand unter Ästhetik eine Wissenschaft der sinnlichen Erkenntnis, die »Kunst des schönen Denkens» (ebd.).
    Die Vorstellung einer »ästhetischen Bildung« entstand im gleichen Zeitraum aus der Verbindung eines kulturgeschichtlich orientierten Paradigmas und kunsttheoretischen Systematiken. Die Idee einer ästhetischen Bildung wurde begünstigt durch das diskursive Feld, das durch die Herausbildung der Sinnesanthropologie (Locke, Diderot), der philosophischen Ästhetik (Baumgarten, Kant) und der pädagogischen Bildungstheorie (Rousseau, Humboldt, Fichte) gebildet worden war. Die Forderung nach einer ästhetischen Fundierung von Bildungsprozessen wurde insbesondere von Herder, Lessing und Schiller getragen.
    Schillers Programm einer ästhetischen Erziehung zur Freiheit und Goethes Idee des Bildungsromans sind sowohl Paten einer Ausdifferenzierung des neuen bürgerlichen Selbstbewusstseins nach einem ganzheitlichen Verständnis von Menschsein, als auch Grundlage des klassischen Verständnis von musischer Erziehung, die im 19. und 20. Jahrhundert ihre pädagogische Konkretisierung erfährt. Besonders prägend war seine unter dem Eindruck der französischen Revolution geschriebene Abhandlung »Über die ästhetische Erziehung des Menschen in einer Reihe von Briefen» (Schiller 1795/1948). In dem idealen Konstrukt eines anzustrebenden ästhetischen Zustands sah Schiller die Chance, sich als Vernunftwesen zu entfalten, ohne gleichzeitig seine Natur unterwerfen zu müssen. Von seinem natürlichen Charakter, so Schiller, gelange der Mensch nur über den ästhetischen Zustand zu einem moralischen Charakter. Da er hierin die Bedeutung der ästhetischen Aspekte von Bildung und Lernen herausarbeitete, beeinflusste er die Bildungstheorie nachhaltig bis heute.
    Der Diskurs um die ästhetische Bildung verlief nach seinem Anstoß im 18. Jahrhundert in unterschiedlichen Bahnen. Bei Hegel wird die ästhetische Produktion und die damit verbundene Reflexion als ein persönlicher Selbstklärungsprozess verstanden, der die Suche nach Selbstverwirklichung begünstigt. Das Bildungsbürgertum sah in Abgrenzung zu den unteren Schichten in den Werken der Kunst einen Bestand von kulturellem Kapital und in der ästhetischen Bildung eine Geschmacksbildung (Bourdieu). Herbarts Verständnis von ästhetischer Bildung stand unter dem Anspruch einer Erziehung zur Sittlichkeit und beschränkte sich in der Schulpraxis vorwiegend auf das Zeichnen von Modellen und Vorlagen. An der Wende zum 20. Jahrhundert entwickelte die Reformbewegung mit der Kunsterziehungsbewegung ein neues Verständnis von Ästhetik und Kunst. In der freien Kinderzeichnung sah sie einen Ausdruck kindlich-originären Eigensinns. Durch die Postulate vom »Kind als Künstler« und dem »Genius im Kind« romantisierte und verklärte diese Bewegung das Problemfeld. Gleichwohl gelang es der Reformbewegung zu einer Demokratisierung des Ästhetischen beizutragen. Kunst und Leben wurden aufeinander bezogen, da der Symbolgehalt der subjektiven Erfahrung nicht nur auf den Konsum von Kunst, sondern auch auf Gegenstände des Alltags (Möbel, Architektur) bezogen wurde. Das sich aus dieser Diskussion entwickelnde Konzept des Bauhauses hat bis heute eine nachhaltige Wirkung.
    Aufgrund der Funktionalisierung der Kunst im deutschen Faschismus konzentrierte sich die ästhetische Bildung der schulischen und außerschulischen Bildung nach dem zweiten Weltkrieg vorwiegend auf musische Erziehung. Die »unverdorbene« kindlich-ästhetische Ausdrucksfähigkeit, fern von deren kultureller Alltagsrealität, stand im Vordergrund. Dabei war das Bemühen zu erkennen, die Intentionen der Reformpädagogik aufzunehmen. Gegen die Gesellschaftsabstinenz des traditionellen Kunstunterrichts und die gesellschaftliche Funktionalisierung der ästhetischen Erfahrung waren Ende der 60er Jahre kunstdidaktische Konzepte gerichtet, die den Gegenstandsbereich der ästhetischen Bildung über die Kunst hinaus in den sozial-kulturellen Alltag tragen wollten. Ehmer (1971) verstand die ästhetische Bildung als Befähigung zur visuellen Kommunikation, damit verband er vor allem ein ideologiekritisches Analysekonzept im Umgang mit der (audio-)visuellen Kultur. Die Annäherung beider Konzepte in den 70er und 80er Jahren (subjektive Erfahrung und kritische Analyse) hat sicherlich dazu beigetragen, dass die ästhetische Jugendbildung und die Jugendkulturarbeit sich verstärkt mit ästhetischer Bildung auseinandersetzten.
    Literatur :
    • Baumgarten, Alexander Gottlieb (1735): Meditationes philosophicaede nonnullis ad poema pertinentibus Online unter: www.uni-due.de/lyriktheorie/texte/1735_baumgarten.html
    • Schiller, Friedrich (1793/1795): Über die ästhetische Erziehung des Menschen in einer Reihe von Briefen
    • Röll, Franz Josef (2009): Ästhetische Bildung. In: Bernd Schorb; Günter Anfang; Kathrin Dremmler (Hrsg.): Grundbegriffe Medienpädagogik Praxis. München 2009, S. 22-24.
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Ästhetische Bildung

Der griechische Begriff aisthesis bildet die Grundlage der ästhetischen Bildung in der Medienpädagogik. Ursprünglich bedeutete er Gefühl, Geschmack, Wahrneh-mung, Sinnlichkeit und Erkenntnis. Auf diesen weiten Begriff von Ästhetik beziehen sich diejenigen, die Ästhetik als die Lehre von der »sinnlichen Wahrnehmung« ansehen. Ästhetisch ist dem gemäß alles was unsere Sinne anregt und in uns Gefühle und Empfindungen hervorruft. Ästhetik bezeichnet das Feld der Weltbezüge des Menschen, die zwischen seiner subjektive Wahrnehmung und den Eigenschaften der Außenwelt stehen. Ästhetik wird dabei verstanden als Schulung der Wahrnehmungs- und Ausdrucksfähigkeit, der reflexiven Urteilsfähigkeit, der Stärkung der Erlebnisfähigkeit, dem Erleben von Körpererfahrungen (Theater, Tanz), der Persönlichkeitsentfaltung sowie der produktiven (künstlerischen) Kreativität. Ästhetische Bildung bedeutet, mit Hilfe ästhetischer Methoden und Prinzipien Bildungsprozesse zu initiieren.
Ästhetische Erfahrung
Ästhetische Erfahrungen bilden den Kern der ästhetischen Bildung. Sowohl bei der Wahrnehmung ästhetischer Objekte und Phänomene als auch durch produktive Gestaltung lassen sich ästhetische Erfahrungen machen. Ästhetische Erfahrungen bedürfen keiner spezifischen Lernumgebung, sie können in der Lebenswelt gemacht werden. Wichtige Strukturelemente der ästhetischen Erfahrung sind Überraschung und Genuss. Nicht der sinnliche Wahrnehmungsprozess an sich, sondern die Erfahrung der Diskontinuität und Differenz zu bisher Erlebtem löst die ästhetische Erfahrung aus. Das Unerwartete sowie überraschende Eindrücke führen mit dem ästhetischen Reiz zu Korrekturen bisheriger Annahmen von Wirklichkeit. Vornehmlich aktualisieren sich ästhetische Erfahrungen in (be-)greifbaren Handlungskontexten. (Fotorecherche, Filmprojekt, Multimedia, Podcast). Sie stehen im Kontext soziokultureller Aneignungsformen. Jugendliche machen andere ästhetische Erfahrungen als Erwachsene.
Ästhetische Bildung als Instrument der Selbsterkenntnis
Die Thematisierung von Sinnfragen wird besonders durch den ästhetischen Produktionsprozess begünstigt. Dem ästhetischen Lernprozess kommt die Funktion zu, bisherige Welt-Deutungen zu überprüfen, andere Aneignungen von Wirklichkeit kennen zu lernen und probehaft auszuleben. Ästhetische Bildung und Handeln geht somit über die Nachahmung hinaus, sie lässt sich als Modus verstehen, sich selbst im Verhältnis zur Welt und zur Weltsicht anderer neu zu erleben. Die ästhetische Auseinandersetzung mit selbst produzierten Medien wird zum Katalysator einer Auseinandersetzung mit den bisherigen subjektiven Welt-Deutungen (Bewusstwerdung der inneren Wahrnehmungskonstrukte). In anschaulicher Weise eröffnet der ästhetische Bildungsprozess einen erweiterten Verhaltensspielraum zu den bisherigen Lebenserfahrungen. Ästhetische Ausdrucksformen sind Momentaufnahmen; sie fixieren nicht, sie geben eher Anstöße und repräsentieren innere Befindlichkeiten. Insbesondere gelingt es mittels ästhetischer Lernprozesse, das Fremde nicht als fremd zu deuten. Ästhetisches Lernen führt auf sinnlicher und sinnenorientierter Ebene zum bewussten Erlebnis der perspektivischen Wahrnehmung. Die Eingeschränktheit, die Subjektivität und die Formiertheit des eigenen Wahrnehmensprozesses werden über ästhetisches Lernen bewusst. Die Illusion die wahrgenommene Welt als universelle Wahrheit anzusehen wird auf spielerische und lustvolle Form zertrümmert, ohne die Identität des Einzelnen zu zerstören. Beim ästhetischen Lernen geht der Verlust an universellen Deutungsmustern (Universum) einher mit der Erfahrung der Multioptionalität von Seh- und Handlungsoptionen (Multiversum).
Geeignete Methoden für diese Form der ästhetischen Bildung sind der Einsatz von Medien bei denen die Möglichkeit der Selbstinszenierung gegeben ist. Kinder und Jugendliche stellen sich dar wie sie gerne sein möchten, inszenieren sich als fiktive Persönlichkeiten oder konzeptionieren Zukunftsfantasien. Ein weiteres Konzept wertet die Medienproduktionen von Kindern- und Jugendlichen nach Kriterien von Bildgestaltung und Bildbedeutung aus und vermittelt dabei die in den Bildern vorhandenen inneren Wahrnehmungsbilder der jeweiligen Produzenten (z.B. Positionierung der Bildobjekte im Raum, Bedeutung des Horizontes, Nutzung von fotografischen Perspektiven.
Ästhetische Bildung als Analyse- und Erkenntnisinstrument
Jeder Gegenstand, jedes Bild hat neben seiner Mitteilungs- auch eine symbolische Bedeutung. Symbole dienen dazu, das Unsichtbare begreiflich zu machen. Aus diesen Gründen kommt es in allen Bereich des sozialen Lebens zur Indienstnahme von Symbolik durch partikulare Interessen. Werbung, Religion und Politik und neuerdings die Medienindustrie verstehen es, Bilder als Vehikel für ihre Botschaften zu instrumentalisieren. Symbolische Botschaften werden intentional bei der Meinungsbildung eingesetzt. Der ästhetischen Bildung kommt daher als Analyse- und Erkenntnisinstrument eine Schlüsselfunktion bei der Interpretation und Identifikation dieser symbolischen Botschaften zu. In einer immer stärker ästhetisch geprägten Kultur wird ästhetische Bildung, d.h. auch die Kompetenz die symbolischen Botschaften mittels ästhetischer Instrumentarien zu decodieren, zu einer allseitigen Bildung für alle Kinder und Jugendliche. Die Kenntnis ästhetischer Formensprache und deren Ausdrucks- und Wirkungsmöglichkeiten befähigt nicht nur zur komplexeren Wahrnehmungsfähigkeit, der Entzifferung von Zeichensystemen, sondern auch zur kommunikativen Kompetenz.
Ästhetische Bildung als Handlungsraum
Mit Medien können Sinneseindrücke festgehalten werden. So kann z.B. durch eine Sozialraumerkundung mit Multimedia die Lebenswelt erkundet werden. Mit Hilfe der ästhetischen Bildung können Kinder und Jugendliche lernen, die Komplexität ihrer konkreten Lebensumwelt besser zu verstehen. Derartige Projekte können helfen, die aktuelle Lebenserfahrung durch neue Gesichts- bzw. Standpunkte zu rekonstruieren, die Stabilität des Selbst kann dadurch gestärkt und die sinnliche Kraft gemeinschaftlichen Lernens und Lebens gespürt werden. Die Erweiterung des bisherigen Standpunkts erfolgt vornehmlich durch eigenständige Erkundungen. Dies führt nicht zu einer Blockade, sondern zu einer höheren Bereitschaft, sich bisher nicht Wahrgenommenem zu öffnen. Die oft verfestigte Verselbstständigung der lebensweltlichen Perspektive wird aufgebrochen. Leben wird als gestaltbarer Raum erlebt, der Projektionen und Entwürfe erlaubt. Die Konfrontation mit der Lebenswelt mit ästhetischen Erfahrungen führt zu einer Transformation der bisherigen Aneignung von Wirklichkeit. Die Lebenswelt wird aus einer anderen Perspektive kennen gelernt, die bisherigen Deutungsmuster werden erweitert, und die Motivation, sein eigenes Leben bewusster wahrzunehmen, wird gefördert. Ästhetische Erfahrungen fixieren nicht, da es sich bei ihnen immer um Momentaufnahmen handelt, sie geben Anstöße. Nach jedem gelungenen ästhetischen Entwurf entsteht das Bedürfnis nach Erweiterung.
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© Prof. Dr. Franz Josef Röll, Dr. Robert Löw, Hochschule Darmstadt   |   Stand 26.03.2018
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